Vor 78 Jahren wurde das Konzentrationslager Auschwitz vom russischen Militär befreit.

Ludwig Hecker, VVN-BdA, sprach vor 50 Zuhörer*innen zum Strafbataillon 999 und Ferdinand Janns

Wie jedes Jahr fand eine Gedenkfeier gegen das Vergessen der Verbrechen des Naziregimes statt.

Zum Gedenken an Ferdinand Janns, Mitglied der Kommunistischen Partei Deutschlands und Widerstandskämpfer gegen das Naziregime wurde auf dem Gehsteig vor dem Haus Süderstraße 13 in Harrislee ein Stolperstein verlegt. Es war der letzte Wohnort von Ferdinand Janns. Der wurde verfolgt, verhaftet und ins Strafbataillon 999 einberufen und kam nie wieder zurück.

(siehe auch Beitrag vom 17.1.2023 weiter unten auf dieser Seite)

Der Stolperstein und das Bild von Ferdinand Janns wurden mit Blumen geschmückt

Ludwig Hecker von der Vereinigung der Verfolgten den Naziregimes/Bund der Antifaschisten wies darauf hin, dass noch nicht erforscht ist, wie viele Menschen aus Flensburg und Umgebung als Widerstandskämpfer gegen das Naziregime ins Strafbataillon 999 einberufen und dort ihr Leben verloren haben. Da bestehe noch viel Recherchebedarf.

Die Stolpersteine sind ein Projekt des Künstlers Gunter Demnig, das im Jahr 1992 begann. Nach dem Motto: „Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist!“ will Gunter Demnig die Erinnerung an das Schicksal von Menschen wach halten, die von den Nazis ermordet, deportiert, vertrieben oder in den Selbstmord getrieben wurden. Er will den verfolgten und ermordeten jüdischen Menschen, den Sinti und Roma, den Zeugen Jehovas, den Homosexuellen und Euthanasieopfern sowie den politisch Verfolgten, die in den Konzentrationslagern zu Nummern degradiert wurden, ihren Namen und ihre Identität wiedergeben und darüber hinaus darauf hinweisen, dass deren Verfolgung und Deportation mitten in der Gesellschaft stattfand.

Bei den Stolpersteinen handelt es sich um Betonsteine mit einer Seitenlänge von 10 cm, auf deren Oberseite eine Messingplatte angebracht ist. Auf der Messingplatte sind der Name, der Geburtsjahr-gang, auf den Einzelfall bezogene Texte, das Deportationsjahr sowie der Todesort eingraviert. Die Steine werden in der Regel vor dem letzten frei gewählten Wohnhaus von NS-Opfern in das Pflaster des Bürgersteigs eingelassen.

Bis Ende Januar 2022 wurden über 90.000 Stolpersteine in Deutschland, wie auch in 26 weiteren europäischen Ländern, verlegt. Sie gelten inzwischen als das größte dezentrale Mahnmal der Welt.

Widerstand in Flensburg und an der Grenze

Widerstand gegen den Nationalsozialismus bedeutete in der Grenzstadt Flensburg – ebenso in Harrislee und Harrisleefeld für einen großen Teil der Widerstandskämpferinnen und -kämpfer nicht nur, den Kontakt zueinander zu halten, Flugblätter und anderes illegal gedrucktes Material untereinander weiterzugeben und/oder an andere zu verteilen und verbotene Radiosender abzuhören, sondern vor allem auch Verfolgten zu Wasser, z.B. über die Ochseninseln, und zu Lande die Flucht ins sichere Ausland zu ermöglichen. Dies ging bis Oktober 1938 häufig vonstatten mit dem sogenannten „Groschenpaß“, der drei Tage gültig war und für den man kein Paßbild benötigte.

Auch Fluchthelferinnen und -helfer aus Flensburg und Umgebung konnten sich bei Bekanntwerden ihrer Widerstandsarbeit auf diesen Fluchtwegen dem Zugriff der Nazis entziehen. Bruderorganisationen in Dänemark wie auch dort frühzeitig vielfach von Emigrantinnen und Emigranten gegründete Gruppen, Komitees usw. suchten die Widerstandsarbeit im Reich zu unterstützen, wie z.B. das von dem Sozialdemokraten Richard Hansen aufgebaute „Grenzsekretariat Nord“ und die seitens der KPD Ende 1935 aufgebaute „Abschnittsleitung“ Nord in Kopenhagen.

Sie stellten die Antifaschistinnen und Antifaschisten in Flensburg vor die Aufgabe, das Einschleusen von in Dänemark hergestellten Materialien, das Hinausbringen von Informationen bzw. Treffen und Konferenzen in Dänemark durch Ein- und Ausschleusen von Teilnehmerinnen und Teilnehmern zu ermöglichen.

So gelangten z. B. Berichte von SPD-Mitgliedern über Flensburg nach Kopenhagen und von dort weiter nach Prag zur Exil-SPD, wo sie in die „Deutschland- Berichte“ der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands im Exil (Sopade) Aufnahme fanden. Der „Neue Vorwärts“, der seit Juni 1933 in Karlsbad, Tschechoslowakei, gedruckt wurde und über Prag und Polen z. B. nach Sonderburg gelangte, wurde von dort per Schiff oder in Torfwagen versteckt durch das Jardelunder Moor ins Deutsche Reich transportiert. Fluchthilfe und Materialtransport und -verteilung leisteten Mitglieder der SPD, KPD, SAP und der Freien Gewerkschaften.

Angehörige der dänischen Minderheit in Flensburg organisierten und transportierten darüber hinaus Medikamente und Lebensmittel für dänische Häftlinge im KZ Neuengamme, sowie Waffen und Sprengstoff.

Verlegestelle: 24955 Harrislee, Süderstraße 23, Stolperstein für Ferdinand Janns

Ferdinand Nikolai Janns,

geboren am 2.3.1902 in Flensburg, Harrisleefeld, Süderstraße 23. Berufliche Tätigkeit: Arbeiter

Ferdinand Janns gehörte bis 1933 der KPD in Flensburg an. Weil er hier weiterhin für die KPD tätig war und sich an der Verbreitung illegaler Druckschriften aus dem Ausland beteiligt hatte, wurde er am 7. April 1934 zusammen mit anderen in Untersuchungshaft genommen und kam in das Gerichtsgefängnis in Flensburg. Am 19. Mai 1934 wurde er angeklagt, in Flensburg und Umgebung in den Jahren 1933/34 „das hochverräterische Unternehmen, die Verfassung des Deutschen Reiches gewaltsam zu ändern, vorbereitet und durch dieselbe Handlung es übernommen zu haben, den organisatorischen Zusammenhalt einer anderen Partei als der NSDAP aufrechtzuerhalten“. So lautete die Anklage.

Im Prozeß verurteilte ihn das Kammergericht in Berlin im August 1934 zu 18 Monaten Gefängnis, die er in Neumünster verbüßte. 1943 wurde er zum Strafbataillohn 999 eingezogen und zuletzt in Jugoslawien eingesetzt. Er galt seit Februar 1945 als vermißt. Das Amtsgericht Flensburg hat Ferdinand Janns zum 31. Dezember 1945 für tot erklärt.

Mahnmal Harrislee Bahnhof

Anschließend luden der Bürgervorsteher, der Bürgermeister von Harrislee und die Arbeitsgruppe Harrislee Bahnhof zum Gedenken am Mahnmal Harrislee Bahnhof ein.

Frau Anke Spoorendonk wies in ihrem Redebeitrag darauf hin, dass das Mahnmal vor 25 Jahren errichtet worden ist. Die Bahnplanken symbolisieren den Weg in die Hölle der Konzentrationslager. 1600 Menschen wurden im Bahnhof Harrislee in primitivsten Viehwaggons verladen und in Konzentrationslager verbracht. Es waren jüdische Menschen, Roma und Sinti, Homosexuelle, Widerstandskämpfer gegen das menschenverachtende System.

Schülerinnen beim Vortrag von Poetry Slam

Sie wies darauf hin, dass seit 25 Jahren mehrere Generationen von Schüler*innen der Duborg-Skole und der Harrisleer Zentralschule, anfangs auch der Auguste-Viktoria-Schule mit ihren musikalischen. literarischen Beiträgen die Erinnerungskultur an die Verbrechen kreativ und engagiert aufrecht erhalten. Das sei keine Selbstverständlichkeit, denn als Schüler*innen vor 25 Jahren das Denkmal mit eingeweiht hatten, seien die Schüler*innen, die jetzt ihren Beitrag gegen das Vergessen leisten, noch gar nicht geboren worden.

Es war eine würdige und anrührende Gedenkfeier, zu der besonders die Schüler*innen ihren Beitrag geleistet hatten.

Schülerinnen sangen „Nein, meine Söhne geb ich nicht“, Liedtext von Reinhard Mey

Danke dafür!

Nein, meine Söhne geb ich nicht , Songtext von Reinhard Mey,

in Harrislee gesungen von Schülerinnen

26. Januar Tag des Gedenkens der Nazi-Gewaltherrschaft

Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten, die Gemeinde Harrislee und die Arbeitsgruppe Harrislee Bahnhof laden anläßlich des Gedenktages zu folgenden Veranstaltungen ein: Einladung zur Verlegung eines Stolpersteins für

Ferdinand Janns

am Donnerstag, 26. Januar 2023 um 10.00 Uhr in der Süderstraße 23 in Harrislee

Zu den Todesopfern der Nazi-Gewaltherrschaft gehörte auch Ferdinand Janns, ein junger Mann aus Harrisleefeld, der Mitglied der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) war. Er wurde 1934 verhaftet, weil er Flugblätter gegen das faschistische Gewaltregime illegal aus Dänemark geschmuggelt hatte. Er wurde wegen des Vorbereites zum Hochverrat angeklagt und verurteilt.

Ferdianad Janns

ln der Anklageschrift heiBt es u. a., dass er in den Jahren 1933 bis 1934 „das hochverräterische Unternehmen, die Verfassung des Deutschen Reiches gewaltsam zu ändern, vorbereitet durch die selbe Handlung es unternommen habe, den organisatorischen Zusammenhalt einer anderen Partei als der NSDAP aufrechtzuerhalten …“

Während seiner Haftstrafe, die er zum Teil im Gefängnis Neurnünster verbüßte, wurde er 1943 in das als Todesbataillon berüchtigte Strafbataillon 999 zwangsverpflichtet und kehrte niemals zurück.

Um an das Unrecht an Ferdinand Janns zu erinnern, laden die Gemeinde Harrislee,die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/ Bund der Antifaschisten (VVN/BdA) und die AG „Harrislee-Bahnhof‘ alle interessierten Bürgerinnen und Bürger zur Verlegung eines Stolpersteins auf dem Gehweg vor dem Haus Süderstraße 23 im Rahmen einer Feierstunde ein. Es war der Wohnort von Ferdinand Janns bis zu seiner Verhaftung.

Einladung zum Gedenken am 26. Januar um 11.30 Uhr am Mahnmal Grenzübergang Harrislee/Padborg

Programm:

Begrüßung durch die Gemeinde Harrislee

Ansprache der Arbeitsgruppe Harrislee-Bahnhof

Beiträge von Schülerinnen und Schülern der Duborg-Skolen und der Zentralschule Harrislee Kranzniederlegung am Mahnmal

zum 8. Mai – Tag der Befreiung vom Hitlerfaschismus – Gedenkveranstaltung in Gudendorf

Unter der Sowjetfahne kämpften Russen und Ukrainer gemeinsam gegen den Faschismus

Die diesjährige Gedenkveranstaltung anläßlich des 8. Mai der Initiative Blumen für Gudendorf (https://blumen-für-gudendorf.de) fand am Samstag, 7. Mai 2022, an der Gedenkstätte Gudendorf statt. 

Das Modell des Kriegsgefangenenlagers wird feierlich enthüllt
Modell des Kriegsgerfangenlagersnach Enthüllung

Bei dieser Gedenkveranstaltung wurde die Lagerdarstellung des Gudendorfer Kriegsgefangenenlagers, das Schülerinnen und Schüler der Gemeinschaftsschule Meldorf gemeinsam mit dem Meldorfer Künstler Frank Speth in den vergangenen Monaten realiisiert haben, präsentiert. Sowjetische Kriegsgefangene, Russen, Ukrainer, Weißrussen, mindestens zehn Nationalitäten, die infolge völlig unzureichender Ernährung, menschenunwürdiger Behandlung, rücksichtsloser körperlicher Ausbeutung im Arbeitseinsatz und durch gezielte Ermordung den Tod gefunden haben waren in diesem Lager und sind hier beerdigt. Gudendorf ist eins der vielen Massengräber in Deutschland. Die gegenwärtige Geschichtsschreibung geht davon aus, dass während des Zweiten Weltkrieges 5,4 Millionen Angehörige der Roten Armee in deutsche Kriegsgefangenschaft gerieten, von denen wenigstens drei Millionen Menschen qualvoll zu Tode kamen.

Musikprogramm mit Antikriegsliedern von Hannes Wader, John Lennon und Reinhard Mey

Der 8. Mai als Tag der Befreiung vom Faschismus ist ein Feiertag, aber auch eine Mahnung gegen Faschismus und Krieg heute. Die Initiative Blumen für Gudendorf erklärt:

„Am 24. Februar 2022 hat die russische Armee die Ukraine angegriffen. Inzwischen hat sich die militärische Invasion massiv ausgeweitet, die Angriffe richten sich zunehmend auch gegen zivile Ziele in den Städten. Die Initiative Blumen für Gudendorf verurteilt den völkerrechtswidrigen Angriff auf die Ukraine. Unser Mitgefühl gilt vor allem den betroffenen Menschen in der Ukraine. Wir trauern um die Toten, wir trauern mit den Flüchtenden, wir trauern um die toten Soldaten auf beiden Seiten. Wir solidarisieren uns mit allen, die in Russland und auf der ganzen Welt ihre Stimme gegen diesen Krieg erheben. Wir fordern die sofortige Beendigung aller Kampfhandlungen.

Es betrübt uns zutiefst, dass in diesem von Russland zu verantwortendem Krieg die Nachfahren von Menschen gegeneinander kämpfen, die 77 Jahre zuvor gemeinsam in einer großen Anti-Hitler-Koalition gegen den deutschen Nationalsozialismus gekämpft und ihn besiegt haben. Im Kriegsgefangenenlager Gudendorf waren in Folge des Vernichtungskrieges gegen die Sowjetunion Soldaten der Roten Armee gefangen – aus Russland, Belarus, der Ukraine und vielen anderen Teilrepubliken der Sowjetunion. Viele von ihnen sind im Lager Gudendorf und den Arbeitskommandos an Unterernährung, Krankheiten, Mangelversorgung und direkter Gewalt gestorben. Sie alle ruhen gemeinsam in Massengräbern auf dem Lagerfriedhof in Gudendorf. Jedes Jahr zum 8. Mai, dem Jahrestag des Kriegsendes, gedenken wir ihrer, ungeachtet der nationalen Zugehörigkeit.

Unser Bemühen und unsere Arbeit sind von der Idee geleitet, dass nach den Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges nur gelten kann: Nie wieder Krieg. Deshalb haben wir uns stets eingesetzt, auf eine Verbesserung des nicht immer ungetrübten Verhältnisses zur Russischen Föderation hinzuwirken. Wir fühlten und fühlen uns den in Gudendorf beerdigten toten Soldaten verpflichtet, sie ließen ihr meist junges Leben, weil sie den deutschen Faschismus bekämpften. Wir stehen nun bestürzt vor den Trümmern unserer Bemühungen.

Wir appellieren, die Trauer und das Entsetzen über den Krieg gegen die Ukraine nicht auf die gesamte russische Bevölkerung oder die in Deutschland lebenden Russen zu übertragen. Unsere Solidarität gilt den Menschen, die auch unter schweren Bedingungen in Russland gegen den Krieg protestieren. Wir verstehen uns auch als Antikriegsbewegung und fordern mit Bertha von Suttner: Die Waffen nieder!“

Die Teilnehmer der Gedenkveranstaltung legten am Ehrenmal, am Gedenkstein und auf den Gräbern viele Blumen nieder.

Drei weitere Stolpersteine in Flensburg verlegt

Einweihung der Stolpersteine: Mitte: Ludwig Hecker (VVN-BdA) und Hannes Fuhrig (Stedtpräsident)

Die Stolpersteine sind ein Projekt des Künstlers Gunter Demnig, das im Jahr 1992 begann. Nach dem Motto: „Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist!“ will Gunter Demnig die Erinnerung an das Schicksal von Menschen wach halten, die von den Nazis ermordet, deportiert, vertrieben oder in den Selbstmord getrieben wurden. Er will den verfolgten und ermordeten jüdischen Menschen, den Sinti und Roma, den Zeugen Jehovas, den Homosexuellen und Euthanasieopfern sowie den politisch Verfolgten, die in den Konzentrationslagern zu Nummern degradiert wurden, ihren Namen und ihre Identität wiedergeben und darüber hinaus darauf hinweisen, dass deren Verfolgung und Deportation mitten in der Gesellschaft stattfand.

Bei den Stolpersteinen handelt es sich um Betonsteine mit einer Seitenlänge von 10 cm, auf deren Oberseite eine Messingplatte angebracht ist. Auf der Messingplatte sind der Name, der Geburtsjahrgang, auf den Einzelfall bezogene Texte, das Deportationsjahr sowie der Todesort eingraviert. Die Steine werden in der Regel vor dem letzten frei gewählten Wohnhaus von NS-Opfern in das Pflaster des Bürgersteigs eingelassen.

Bis Ende 2019 wurden über 75.000 Stolpersteine in Deutschland, wie auch in 26 weiteren europäischen Ländern verlegt. Sie gelten inzwischen als das größte dezentrale Mahnmal der Welt. Ein neuer Stolerstein befindet sich nun vor dem Haus Neue Straße 3

Wilhelm Heinrich Peter Ringgaard, geboren am 8. März.1903 in Flensburg, wohnhaft hier in Flensburg, Neue Straße 3, Berufliche Tätigkeit: Arbeiter und Steward

Als Jugendlicher gehörte Wilhelm Ringaard der USPD an. Im Jahre 1930 trat er in Flensburg dem Arbeiterschachklub bei. Dessen Mitglieder waren teils Sozialdemokraten, teils Kommunisten, die ihn in die kommunistische Gedankenwelt einführten. Er wurde zunächst Arbeiterkorresspondent und später, nachdem er im Januar 1932 in die KPD eingetreten war, Berichterstatter für die kommunistische „Norddeutsche Zeitung“. Im April 1932 wurde er Betriebsobmann im Unterbezirk Flensburg und später Orgleiter. Im Herbst 1932 machten sich Zersetzungserscheinungen im Unterbezirk bemerkbar und Ringaard wurde am 6. Januar 1933, obwohl er seine Unschuld beteuerte, als angeblicher Polizeispitzel aus der Partei ausgeschlossen. Später wurde er jedoch rehahabilitiert.

In Flensburg hat nach der Machtergreifung durch die NSDAP die KPD illegal fortbestanden. Ringgaard war beteiligt daran, nach dem Umbruch die KPD neu zusammenzufassen, die Verbindung mit der illegalen deutschen KPD in Dänemark aufzunehmen und die Lieferung von illegalen Schriftenmaterial über die Grenze nach Deutschland einzuführen.

Nach seiner Festnahme Ende 1935 und Untersuchungshaft im Gerichtsgefängnis Kiel wurde Ringard vom Berliner Kammergericht beim Prozeß in Kiel am 29. September 1936 wegen Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens zu 8 Jahren Zuchthaus verurteilt.

Nach Verbüßung seiner Haft wurde Ringgaard dem Bewährungsbataillon 999 überstellt und in Kroatien eingesetzt. Er hat nicht überlebt. Am 11. Januar 1945 Tot in Vlasenice.

Ehrung der Deserteure und der Opfer des Faschismus

anlässlich des Volkstrauertages 14. November 2021 laden wir hiermit dazu ein, Blumen und Gebinde am Denkmal für die Opfer des Faschismus und am Deserteursdenkmal abzulegen.

Treffpunkt ist am Sonntag, 14. November 2021 um 11.00 Uhr

vor dem Denkmal für die Opfer des Faschismus am ZOB – Norderhofenden gegenüber der Polizeidirektion.

Wir gehen dann durch die Innenstadt zum Deserteursdenkmal am Platz der Gärtner und legen auch dort gegen 12.00 Uhr Blumen und Blumengebinde ab.

Wir freuen uns über Euer/Ihr Kommen.

Können wir am 3. Oktober feiern? Zum Geburtstag von Carl von Ossietzky

Am dritten Oktober 1989 gab es den Anschluß der DDR an die Bundesrepublik und damit wieder ein großes Deutschland. 10 Jahre später war Deutschland wieder im Krieg, durch eine „Rot-Grün“ Bundesregierung durchgesetzt, und dieser Krieg der Bundeswehr dauert nun schon länger als 20 Jahre. In den letzten Jahren seit 1999 war Deutschland keinen einzigen Tag ohne Krieg. Der Exportweltmeister Deutschland exportiert den Krieg in fremde Länder.

Es gibt also nichts zu feiern am 3. Oktober?

Carl von Ossietky 1915

Doch: Am 3. Oktober 1889, also vor 132 Jahren wurde ein Mann geboren, der wie kaum ein anderer den Militarismus und Nationalismus bekämpft hatte: Carl von Ossietzky, Journalist, Aktivist der Deutschen Friedensgesellschaft und Friedensnobelpreisträger. Ihm wurde der Preis zuerkannt, als er von den Hitlerfaschisten im Konzentrationslager eingesperrt war.

Carl von Ossietzky stellte fest:

„Der Krieg ist ein besseres Geschäft als der Friede. Ich habe noch niemanden gekannt, der sich zur Stillung seiner Geldgier auf Erhaltung und Förderung des Friedens geworfen hätte. Die beutegierige Canaille hat von eh und je auf Krieg spekuliert.“

Eine „grauenhafte Schlächterei“, die „Europa entehrt“, nannte Papst Benedikt XV. den Weltkrieg bereits 1915. Die Erklärung des Papstes wurde von den deutschen Bischöfen allerdings nur in einer verfälschten Übersetzung veröffentlicht. In ihrer Friedensnummer vom 4. August 1931 brachte die Weltbühne eine neue Übersetzung dieser leidenschaftlichen Verdammung des Krieges. Wenige Seiten später stand eine Glosse: „Der bewachte Kriegsschauplatz“ von Ignaz Wrobel (Pseudonym von Kurt Tucholsky), durch die sich die Reichswehr verunglimpft und beleidigt sah. Tucholsky beschäftigte sich darin mit der Feldpolizei, die den Kriegsschauplatz abgesperrt und darüber gewacht hätte, daß „vorn richtig gestorben wurde“. Die Menschen seien „auch mit den Maschinengewehren in die Maschinengewehre“ gejagt worden, Deserteure sind niedergeschossen worden. „Sie mordeten also, weil einer sich weigerte, weiterhin zu morden. … Da gab es vier Jahre lang ganze Quadratmeilen Landes, auf denen war der Mord obligatorisch, während er eine halbe Stunde davon entfernt ebenso streng verboten war. Sagte ich: Mord? Natürlich Mord. Soldaten sind Mörder.“ Reichswehrminister Groener stellte Strafantrag gegen den verantwortlichen Redakteur Carl von Ossietzky, der wurde jedoch für die Aussage „Soldaten sind Mörder“ freigesprochen.

Carl von Ossietzky 1934

Aber Carl von Ossietzky argumentierte auch „Zur Reichsgründungsfeier“.

Er hatte 1931, als er diesen Text schrieb, kaum wissen können, daß das wiedervereinigte Deutschland die Reichsgründungsfeier genau auf seinen Geburtstag legen wird.

Lesen wir Auszüge seines Textes von 1931 jetzt 90 Jahre später zum 3. Oktober 2021:

Zur Reichsgründungsfeier

Wir haben wieder einen Nationalfeiertag bekommen, von dem die Republik nichts weiß. Die Verfassungsfeiern wickeln sich Jahr für Jahr in dürrer Schematik ab, der 9. November ist für die Patrioten ein Tag der Schande. Jetzt haben die Offiziellen endlich etwas gefunden, das ihre Hemdbrüste wogen läßt. …

Zurückgeblieben ist ein ins Elend geworfenes Volk, …  das nicht mehr weiß, was es will, und dem nur ziemlich klar ist, daß es mit der demokratischen Republik nichts anfangen kann. Stünde die Vernunft höher im Preis, so müßte man wenigstens zugeben, daß die Republik von Weimar, so unzulänglich ihre Praxis auch gewesen sein mag, doch einen Willen zur Form aufweist, …  Statt der politischen Freiheit, für die der Bürger vorher auf die Barrikade gegangen war, bekam er die geschäftliche Prosperität. Vielleicht ist das der Grund, weshalb der Bürger heute so inbrünstig die Reichsgründung feiert. Denn das war sein Reich; wenn ihm auch der Staat eine Kröte nach der andern zu schlucken gab, so verdiente er doch sein gutes Geld dabei, so regierte er zwar nicht im Lande, wohl aber im Geschäft, in der Fabrik, in der Familie. …

Heute ist das Bürgertum wirtschaftlich ruiniert. Der selbstbewußte Besitzer von einst wankt verzweifelnd zwischen leerem Tresor und Gashahn. Das Geschäft ist überschuldet, und da, wo er zu herrschen gewohnt war, in der Familie, ist er Quantité négligeable. …

Warum aber die junge Generation diesen Kult der Vergangenheit mitmachen, das mag der Teufel wissen. … Den patriotischen Verehrern der Kasernenpflicht sei es gesagt: – wenn heute Zwanzigjährige wie früher alten Drillunteroffizieren ausgeliefert werden sollten, sie würden am ersten Tage alles in Klump schlagen. …

Aus alten Legenden und neuem Unsinn bereitete sich Deutschland eine neue verrückte Mixtur. … Niemals wieder wird es eine einheitliche deutsche Nation geben. Wenn einmal der große Schlußkampf zwischen Kapital und Arbeit ausgefochten wird, dann werden zwar die Grenzsteine wieder wanken, aber dann werden Klassen gegeneinanderstehen und nicht mehr Nationen.

Sie mögen ihr Reich feiern, die Fragmente der ehemaligen Herrenkaste, die Militärs, die hohe Bureaukratie, die Besitzer von Geld, Land und Menschen. Die Republik hat damit nichts zu tun. Die Republik nennt diese amtliche Feierei Verrat an ihrem Geist. …“

Feiern wir nicht mit unserer Herrenkaste den „Tag der Deutschen Einheit“. Wir feiern lieber den Geburtstag von Carl von Ossietzky.

Mimikry

Die eine Nazipartei darf mit dem Slogan „Hängt die Grünen“ ihre Menschenverachtung und Aggressivität weiterhin offen zum Ausdruck bringen. So hat es ein deutsches Gericht beschlossen, daß solche Plakate hängen bleiben dürfen. Damit ist klar, für was die Nazis stehen.

Die alte Nazipartei machte es geschickter. Alles schon mal dagewesen: John Heartfield zeigte es mit einer Fotomontage, Titelbild der AIZ, auf der der Propagandist der Nazipartei Joseph Goebbels seinem Führer einen Karl-Marx-Bart anhängte. Sie nannten sich „Arbeiterpartei“ und waren doch die Partei der aggressivsten Fraktion des Großkapitals. Und die heute aktive Partei kandidiert nun mit einem ehemaligen Kommunisten und ist stolz darauf, daß dieser ehemalige Kommunist nun in ihren Reihen mitmacht. So etwas ist auch schon früher einmal vorgekommen: der ehemalige Kommunist und Schauspieler Heinrich George machte später Nazipropaganda und drehte den „Hitlerjunge Quex“, „Jud Süß“ und noch 1945: „Kolberg“. Was tut einer nicht alles für seine Karriere, wenn er durch und durch korrupt wird. Also müssen wir uns über unseren ehemaligen „Genossen“ nicht besonders ärgern.

Wahlplakat gesehen in Sachsen Anhalt

Dass mit diesem Gesicht das Wort SOZIAL auf dem Plakat erscheint, ist derart verlogen, daß es schlimmer nicht geht. Können wir uns etwas unsozialeres vorstellen, als arme Menschen aus rassistischen Motiven in Hunger und Elend und Lebensgefahr abzuschieben? SOZIAL wäre es, den auf Ausbeutung gegründeten Reichtum dieses Landes mit den Bedürftigen zu teilen, das unabhängig von Herkunft, nur abhängig von der Bedürftigkeit.

Offene Grenzen und ein sicheres Bleiberecht für Alle, das ist die Forderung von uns Kommunisten, die wir uns als Internationalisten verstehen. Die arbeitenden Menschen kämpfen für eine Gesellschaft ohne Ausbeutung und Elend, dazu ist internationale Solidarität notwendig und die Bekämpfung eines jeden Nationalismus hier bei uns in Deutschland.

Zum weiterlesen sei das Buch des Nazi-Aussteigers Richard Scheringer empfohlen, der miterleben mußte, wie die Nazipartei nach 1933 Deutschland zugrunde richtete. Er war dann im antifaschistischen Widerstand und bis ins hohe Alter aktiv in der DKP. Seine Lebensgeschichte hat den Buchtitel „Das große Los“, ist sowohl bei Rowohlt als auch im Aufbau-Verlag erschienen und zur Zeit antiquarisch erhältlich.

11. September 2001 – 11. September 2021

Am 11. September 2001 starben etwa 3000 Menschen durch einen terroristischen Anschlag.

Seit diesem Tag sterben jeden Tag mindestens 3000 Menschen an den Folgen des Rauchens.

Jeden Tag verursacht die terroristische Vereinigung der Tabakkonzerne mehr Todesfälle als am 11. September starben, in den letzten zwanzig Jahren waren es 22 Millionen.

Nach Angaben der AG-Friedensforschung kostete der sogenannte „Krieg gegen der Terror“, den Krieg gegen und die Besatzung von Afghanistan etwa eine Milliarde US-Dollar jeden einzelnen Monat, und das nun 240 Monate lang, also 240 Milliarden. Der Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr hat den deutschen Steuerzahler mehr als zwölf Milliarden Euro gekostet. Das geht aus einer Antwort des Auswärtigen Amts auf eine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag hervor, die laut MDR dem ARD-Hauptstadtstudio vorliegt.

Haushalts­be­schluss 2021: Bundestag bewilligt vier Millionen Euro für die Sucht­prävention

Hierzu erklärte die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Daniela Ludwig: „Diese Aufstockung ist der richtige Schritt zur richtigen Zeit. Wir sehen ja gerade, wie wichtig es ist, ernsthaften Krankheiten vorzubeugen. Für Suchterkrankungen gilt da nichts Anderes als für Covid-19. Deshalb ist es eine großartige Nachricht, dass wir im kommenden Bundeshaushalt über eine Million Euro mehr für die Alkoholprävention zur Verfügung haben. Außerdem können wir mit den Mitteln unsere sehr gut angelaufene Cannabisprävention fortsetzen. Ganz wichtig ist für mich, dass wir mit den zusätzlichen Mitteln endlich mehr für den Rauchausstieg tun können. Denn wer seit 20 oder 30 Jahren raucht, der braucht häufig einfach Hilfe!“

Der Haushaltsentwurf sieht eine Aufstockung der Mittel für die Tabakhotline der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung vor. Darüber hinaus wird die Drogenbeauftragte der Bundesregierung im kommenden Jahr eine neue Rauchausstiegskampagne auflegen.

Wie bescheiden ist doch die Drogenbeauftragte: Die gesamte Suchtprävention bekommt gerade einmal so viel Geld mehr, wie nur ein halber Tag Afghanistaneinsatz kostete.

Tragödie und Farce

Nach dem Diktum, daß sich Geschichte zweimal wiederholt, als Tragödie und Farce, sei daran erinnert, daß die SPD vom „Krieg dem Kriege“-Kongreß 1912 nur zwei Jahre brauchte, um dem Weltkrieg 1914 zuzustimmen. Die Tragödie gaben die Grünen, die auf ihrem Parteitag 1993 noch ein Transparent „Für eine Bundesrepublik ohne Armee“ hängen hatten und nach fünf Jahren dem Angriffskrieg gegen Jugoslawien zustimmten. Deren aktuelle Bundeskanzlerkandidatin zeigt sich als reaktionärste Kriegstreiberin, in dem sie sich für robuste Militäreinsätze ausspricht und gegen Russland und China hetzt.

alte Wahlplakate der PDS
bei der bpb nur in dieser miesen
Bildqualität dokumentiert.

Die Farce übernimmt jetzt die Linke. Die hatte es versäumt, „Genossen“, die sich schon zum Münsteraner Parteitag (der PDS 2000) für Militäreinsätze aussprachen, wenn schon nicht aus der Partei, dann wenigstens von sicheren Listenplätzen und Mandaten zu verdrängen, und trägt jetzt die Folge: für Kriegsgegner genauso wenig wählbar zu sein wie die anderen Kriegsparteien.

Aus der Presseerklärung des DKP-Parteivorstandes:

„Nun ist es also passiert. Die Fraktion der Partei „Die Linke“ hat einen Kampfeinsatz der Bundeswehr im Ausland nicht einheitlich abgelehnt. Ein Teil der Abgeordneten stimmte dem Einsatz zu, ein Teil enthielt sich. Nur 7, knapp über 10 Prozent der Mitglieder der Fraktion, blieben konsequent.

Der Einsatz der Bundeswehr am Flughafen in Kabul und vermutlich an weiteren Orten in Afghanistan ist ein bewaffneter Kampfeinsatz. Das ist eindeutig. Eindeutig ist auch, dass es sich dabei nicht um einen Auftrag der vereinten Nationen handelt. Das Verhalten der Linksfraktion war kein Ausrutscher. Es war die Besiegelung des Abschieds von ihrer Rolle als parlamentarischer Arm der Friedensbewegung – nicht mehr und nicht weniger.

Die herrschenden Klasse beobachtet das interessiert. So fragte ein Kommentator in der „FAZ“: „Politisch ein bisschen interessant wird noch, ob die Linke-Fraktion, die bislang jede Krisenintervention abgelehnt hat, dem aktuellen Einsatz der Bundeswehr diese Woche im Bundestag zustimmt.“ – jetzt hat er die Antwort. Wir auch:

Die DKP bleibt 100-Prozent-Antikriegspartei.

Karl Liebknecht, *13.8.1871

Zum 150. Geburtstag von Karl Liebknecht

Vor 150 Jahren am 13. August 1871 wurde Karl Liebknecht in Leipzig geboren.

Kurz vor seinem SPD Beitritt im Jahre 1900 war Liebknecht bereits in Berlin als Rechtsanwalt tätig. Innerhalb der SPD und des Reichstags setzte er sich stets vehement für Sozialismus und Antimilitarismus ein. Vor allem das Heranwachsen der Jugend im antimilitaristischen Geiste hatte für Liebknecht besondere Berücksichtigung. Wegen einer in diesem Zusammenhang von ihm veröffentlichten Schrift (Militarismus und Antimilitarismus) wurde er 1907 wegen Hochverrat zu 1½ Jahren Festungshaft verurteilt. Nach der SPD-Bewilligung der Kriegskredite am 4. August 1914 wurde Liebknecht in der -Gruppe Internationale- gegen die Kriegspolitik der eigenen Partei aktiv. Aus der -Gruppe Internationale- ging später die Spartakusgruppe und daraus der Spartakusbund hervor. Am 2. Dezember 1914 stimmte er im Reichstag als einziger Abgeordneter offen gegen weitere Kriegskredite. Das Kaiserreichregime zwang Liebknecht daraufhin, als Soldat an die Front zu gehen. Am 1. Mai 1916 rief Karl Liebknecht während einer Maidemonstration mit 20.000 Teilnehmenden auf dem Potsdamer Platz in Berlin: „Nieder mit dem Krieg! Nieder mit der Regierung!“ Erneut wurde Liebknecht daraufhin wegen Hochverrats angeklagt und 2 Jahre inhaftiert. Neben Rosa Luxemburg war er einer der führenden Personen der Novemberrevolution 1918 und dem Versuch des Aufbaus einer sozialistischen Räterepublik. Liebknecht war Gründungsmitglied der KPD am 31. Dezember 1918 und 1. Januar 1919. Am Ende der Niederschlagung der revolutionären Bewegungen in Berlin wurden Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht am 15. Januar 1919 von deutschem rechtsextremen Militär ermordet. Direkt mitverantwortlich an der Ermordung waren diverse SPD-Politiker.

Am 28. Mai 1915 konnten Berliner Arbeiter auf einem von ihm verfassten Flugblatt Unerhörtes lesen: »Der Hauptfeind steht im eigenen Land!« Das war die Antwort auf den Burgfrieden, auf das Kaiserwort: »Ich kenne keine Parteien mehr, ich kenne nur noch Deutsche!«, auf die sozialchauvinistische Haltung seiner Partei, der SPD. »Der Hauptfeind des deutschen Volkes steht in Deutschland: der deutsche Imperialismus, die deutsche Kriegspartei, die deutsche Geheimdiplomatie.«

Privatkapital und Staat im Kriege

Eine bisher kaum beachtete Wirkung der Kriegsanleihewirtschaft verdient ernsteste Aufmerksamkeit: die rapide Zunahme der unmittelbaren Abhängigkeit des Staates von dem großen Privatkapital, hervorgerufen durch den Riesenbesitz der privatkapitalistischen Großunternehmungen (Schwerindustrie, Banken usw.) an Kriegsanleihe. Am intensivsten ist diese Steigerung eingetreten bei der Rüstungsindustrie, die ja – so ist das – besonders stark Kriegsanleihe hat zeichnen müssen (als Gegenleistung für die fetten Aufträge zu Wucherpreisen), aber auch gern gezeichnet hat – nicht nur wegen der Riesenprofite, von denen die Bilanzen zeugen, sondern auch eben wegen der damit verbundenen Vergrößerung und Befestigung ihres Einflusses auf den Staat – für die Zeit nach dem Kriege in der inneren und äußeren Politik nicht nur, sondern auch während des Krieges, wenn eine solche Steigerung überhaupt noch möglich war. Wie damit die Kriegspolitik des Staates, vor allem seine Kriegszielpolitik, immer unmittelbarer in die Hände des Großkapitals aller Fraktionen gespielt und die Regierung immer nackter zum bloßen Kommis und Prokuristen des Großkapitals geworden ist, wie die ungeheure staatliche Gewinnbeteiligung das Rüstungskapital am Kriege damit auch den Einfluss der kriegsverlängernden Tendenz des Rüstungskapitals noch weiter gehoben hat, springt in die Augen. Auf diese besonders gefährlichen Zusammenhänge kann nicht nachdrücklich genug hingewiesen werden: eine Wirkung und – zum Teil auch ein Zweck der deutschen Kriegsfinanzpolitik. (…)

Kann dieser Krieg die Kriegsursache aus der Welt schaffen, d. h. die Konkurrenz der imperialistischen Systeme (Komplexe?) um die Naturschätze, die Arbeitskräfte, die Absatzmärkte der Erde?

Unmöglich! Der jetzige Krieg besagt, dass heute bereits die Erde für die imperialistische Konkurrenz zu klein ist, so zwar, dass sie auf Leben und Tod darum kämpfen müssen vom imperialistischen Standpunkt aus, entweder du oder ich – inkompatibel!

Nach dem Krieg wird die menschliche Wirtschaft noch viel mehr als bisher Weltwirtschaft sein, die Produktion noch mehr Weltproduktion und noch mehr der Rohstoffe und Arbeitskräfte der ganzen Welt bedürftig, der Handel noch viel mehr Welthandel – in Einfuhr und Ausfuhr (Einkauf und Absatz) sein. Das heißt aber: Die Erde wird noch enger werden für die Konkurrenten – noch unzureichender. Die imperialistischen Gegensätze noch schärfer, d. h. aber, die Kriegsursachen noch stärker! (…) Der Krieg hat eine so gewaltige Konzentration (Anhäufung) von Reichtum gerade in den Händen des Großkapitals, der Großunternehmer, der Kapitalisten, in deren Händen die Rohproduktion, Halb- und Fertigfabrikation von Arbeitsmitteln etc. (von diesen Mitteln der indirekten Wirtschaft) liegt, vollbracht, dass hier eine Stockung infolge Kapitalmangels nicht eintreten wird, sondern nur durch Zentralisation beschleunigter Übergang zum Größtbetrieb, weitere Steigerung der Produktion zu gewärtigen ist.

Der Krieg um die Rohstoffe der Erde und um den Weltmarkt hat also zwar Rohstoffe und Weltmarkt verwüstet, es besteht aber die Aussicht, dass diese Verwüstung infolge verbesserter und intensivierter Wirtschaft zunächst im Gebiet der Produktionsmittel, sodann im Gebiet des Konsums viel rascher wieder gutgemacht wird, als bei Zugrundelegung des wirtschaftlichen Zustands der Vorkriegszeit anzunehmen.

Das alles aber nur unter einer kolossalen Steigerung der kapitalistischen Weltkonkurrenz um die Rohstoffe und Arbeitskräfte der Erde. Das heißt unter Verschärfung der imperialistischen Gegensätze, d. h. wiederum, nach dem verhängnisvollen kapitalistischen Zirkel, Verschärfung der Kriegsgefahren. Aus diesem Zirkel nur Rettung im Sozialismus. (…)

Deutsches Kriegsziel im Osten und ­Südosten

Wie die Ostsee, so das Schwarze Meer zu deutschen Binnenseen zu machen – ihre Küsten und Hinterländer.

Russland, Griechenland wie den ganzen Balkan, Kleinasien, überhaupt Türkei, Syrien, Mesopotamien, Persien, Afghanistan usw. zur politischen Einflusssphäre Deutschlands, zu Anlage- und Ausbeute- und Marktgebieten (Gefilden) fürs deutsche Kapital!

Karl Liebknecht: Mitteilungen, Briefe und Notizen aus dem Zuchthaus Luckau.
In: Karl Liebknecht: Gesammelte Reden und Schriften, Band IX. Dietz-Verlag, Berlin 1974