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Nils Melzer Der Fall Julian Assange – Geschichte einer Verfolgung Piper Verlag

Erica Chenoweth: CIVIL RESISTANCE – WHAT EVERYONE NEEDS TO KNOW, Oxford University Press

Zeev Sternhell: Die Entstehung der Faschistischen Ideologie, Hamburger Edition – HIS-Verlagsgesellschaft Hamburg

Kate Pickett und Richard Wilkinson: Gleichheit ist Glück – Warum gerechte Gesellschaften für alle besser sind

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Der Fall Julian Assange die Geschichte einer politischen Verfolgung

Der Sonderberichterstatter für Folter der Vereinten Nationen, Nils Melzer, hat den Fall des Initiators von Wikileaks, Julian Assange, in seinerFunktion als Sonderberichterstatter untersucht. Das Ergebnis seiner Untersuchung zeigt ein beklemmendes Bild, wie Regierungen, die sich demokratisch nennen, die Wahrheit über ihre Kriegsführung unterdrücken, um ihre Macht- und Gewaltstrukturen aufrecht erhalten zu können und damit Korruption und Straflosigkeit Tür und Tor öffnen.

Der 1975 in der Schweiz geborene Autor Nils Melzer ist Jurist und lehrte Humanitäres Völkerrecht an den Universitäten Glasgow und Genf. Zwischen 2004 und 2016 war er als Rechtsberater und Berichterstatter für das Internationale Rote Kreuz in Kriegsgebieten tätig, in denen er Kreigsgefangene besucht und Berichte über Folterungen verfasst hat. Am 1. November wurde Nils Melzer vom Menschenrechtsrat der Vereinen Nationen zum Sonderberichterstatter über Folter ernannt. Seit 2019 verfasst er in seiner Funktion Berichte zur Situation von Julian Assange.

„Der Fall Julian Assange – Geschichte einer Verfolgung“ schreibt in der Rolle eines international anerkannten Diplomaten und Spezialisten für Humanitäres Völkerrecht.

Sein erschütternder Bericht über die Lebenssituation von Julian Assange ist 2021 als Sachbuch im Piper-Verlag in Hardcover für 22 Euro erschienen und hat 336 Seiten. Es ist für Laien verständlich geschrieben und schockierend von der ersten bis zur letzten Seite, soll es an uns appellieren, demokratische Grundregeln und Menschenrechte auch gegenüber westlichen Regierungen zu verteidigen.

Nils Melzer schildert, wie er von Anwälten von Julian Assange gebeten wird, in seiner Rolle als Sonderbeauftragter für Folter sich für Julian Assange einzusetzen, da er in der Inhaftierung unmenschlich behandelt werde. Er beschreibt, wie er dem medialen Narrativ westlicher Demokratien folgend, dass es sich bei Juian Assange angeblich um einen verwöhnten, narzißtischen, egoistischen, kriminellen Landesverräter und Vergewaltiger handle, der in der Ecuarsorianischen Botschaft ein gutes Leben hat, nur widerwillig sich der Angelegenheit annimmt. Als er sich auf den Fall Julian Assange dennoch einlässt, erkennt er zunehmend, dass die Gerüchte über Julian Assange geschaffen worden sind, um von den wichtigen Diskussionen über die Kriegsverbrechen im Irak und Afghanistan abzulenken, über Folter und Korruption, die von der Journalistenplattform Wikileaks und Journalisten wie Julian Assange aufgedeckt worden sind. Der Autor beschreibt ausführlich die Strategie, mit der die Aufdecker im Rahmen der Abschreckung kriminalisiert werden, um die Täter zu schützen. Dabei bleibt Nils Melzer in der Rolle des unabhängigen, ehrenamtlich tätigen,  weisungsungebunden, nur dem Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen verpflichteten Berichterstatters, der stets darum bemüht ist, fei zu handeln, auch wenn es ihm Nachteile einbringen könnte. Er schildert seine Gespräche mit Julian Assange sachlich und reflektierend, bleibt glaubwürdig in seiner Rolle als unabhängiger Berichterstatter. Damit weckt er das Interesse der Leserin, des Lesers, gibt Einblicke in die Lebenssituation von Julian Assange und welche Auswirkungen Isolation, persönliche Demütigungen und, offenkundige Rechtsbrüche auf die Psyche und den Körper haben.

2010 veröffentlichte der Initiator von WiliLeaks Julian Assange das „Afghan War Diary“ mit Beweisen für Kriegsverbrechen und Folter im Irak und Afghanistan durch US-amerikanische Militärangehörige. Dafür wurde er in den USA angeklagt. Wenn Julian Assange in die USA ausgeliefert würde, wäre aufgrund dieser Anklage das Strafmaß 175 Jahre Haft. Derzeit befindet sich Julian Assange in Isolationshaft im britischen Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh in London. Davor lebte er jahrelang isoliert in der Ecuardorianischen Botschaft in London. Der Umgang mit Julian Assange erfüllt nach der Beurteilung des Sonderberichterstatters für Folter der Vereinten Nationen, Nils Melzer, die Kriterien für Folter in vollem Umfang.

Von der Person Julian Assange kommt er zur politischen Auswirkung des Falles auf westliche Demokratien. Wenn Pressefreiheit, Unschuldsvermutung und das Recht auf einen fairen Prozess keine Gültigkeit mehr haben, treten Folter und Willkür an ihre Stelle. Ein Sachbuch, spannend, facettenreich anregend und motivierend auch als Bürger*in einer westlichen Demokratie Narrative zu hinterfragen, sich einzumischen und nicht weg zu schauen, wenn Recht zu Unrecht wird.

Was jeder über gewaltfreien Widerstand wissen muss

Eines der Hauptziele, die sich die große russische Revolution stellt, ist die endgültige Abschaffung von Kriegen zwischen den Völkern und die Liquidierung der Kriegswerkzeuge – der stehenden Heere.“

Michail Wassilewitsch Frunse, Militärtheoretiker und Heerführer der Roten Armee am 1.7.1921 nach dem Sieg der Roten Armee über die konterrevolutionären Armeen und deren Verbündeten aus den imperialistischen Mächten.

Marxismus-Leninismus ist unsere wissenschaftliche Weltanschauung. Das beinhaltet, daß Marxisten –  Leninisten verpflichtet sind, wissenschaftliche Erkenntnisse zur Kenntnis zu nehmen und sie in ihre politische Theorie und Praxis einzubeziehen. Als Wissenschaftler nehmen wir den jeweils aktuellen Stand der Wissenschaft zur Kenntnis. Das hat wiederum Auswirkungen auf unsere Politik. Nach dem Sieg im bewaffneten Kampf, an dem M.W. Frunse einen bedeutenden Anteil hatte, den Erfolg der Oktoberrevolution zu sichern, gab es viele weitere Bewegungen, die revolutionäre Gesellschaftsveränderungen erreicht haben. In den letzten einhundert Jahren konnten wir Erfahrungen auswerten, die Lenin und Frunse noch nicht haben konnten. Henriette Roland Holst, Gründerin der Kommunistischen Partei der Niederlande und Vertreterin ihrer Partei bei den Zimmerwalder Linken hatte schon vor hundert Jahren die Bedeutung des Gewaltfreien Kampfes hervorgehoben unter anderen in den „ De Strijdmiddelen der sociale Revolucie“. Der Bremer Kommunist Otmar Leist hatte vor fünfzig Jahren in seinem Buch „Helm ab zum Denken“ geschrieben:

„Die unter der roten Kämpfen: Erst unter der weißen Fahne wird ihr Sieg ein Sieg sein“

Erica Chenoweth hat vor zehn Jahren zusammen mit Maria Stephan das Buch „Why Civil Resistance Works“ veröffentlicht, Aktuell hat sie die Ergebnisse ihrer weiteren Forschungen zur Wirkung des gewaltfreien Widerstands in ihrem neuesten Buch „Civil Resistance What everyone needs to know“ veröffentlicht. Es ist bisher nur in englischer Sprache verfügbar.

Verdienstvoll ist, daß sie in diesem Buch Fragen beantwortet, die in „Why Civil Restistance Works“ noch offen geblieben sind.

Die Autorin hat den nach Berthold Beitz benannten Lehrstuhl in Harvard inne. Dass Beitz sein Geld für seine Arbeit im Rüstungskonzern Krupp bekam, ist ihr nicht anzulasten. Ihr wissenschaftlicher Verdienst ist es, statistisch genau nachgewiesen zu haben, daß gewaltfreie Bewegungen eine wesentlich bessere Erfolgsaussicht haben, als gewalttätige.

Dazu hat sie alle politischen Bewegungen seit dem Jahr 1900 ausgewertet, die eine Mindestgröße an Beteiligten überschritten. Sie hat diese Bewegungen in gewalttätige und gewaltfreie unterschieden. Gewaltfreie Bewegungen haben das Ziel, dass Menschen unverletzt bleiben. Als gewalttätig zählt sie solche, bei denen die Anwendung von Gewalt über ein definiertes Maß hinausging. Zu grundsätzlich gewaltfreien Bewegungen mit gewalttätigen Rändern nimmt sie ausführlich Stellung.

Neu ist in diesem Buch, daß sie zum Erfolg gewalttätiger Revolutionen darstellt, daß diese sich auf eine viel größere gewaltfreie Massenbewegung stützen konnten. Am Beispiel des irischen Unabhängigkeitskrieges (1919-1922) gegen die britische Besatzung zeigt sie auf, dass die Bevölkerung schon seit 1870 gewaltfrei eine Selbstorganisation mit Parallelstrukturen aufgebaut hatte, ohne die der Krieg kaum erfolgreich gewesen wäre.

Die Auswertung, ob eine Bewegung mit einem Erfolg, einem Teilerfolg oder einem Mißerfolg endete, ist in umfangreicher Tabelle angefügt und damit für jeden nachzuvollziehen. Chenoweth hatte bei ihrer Auswertung keinen Unterschied gemacht, ob eine Bewegung progressive Ziele verfolgte oder konterrevolutionär war. Diesbezüglich ist ihre Statistik völlig neutral. Aber da sie ihre Methodik offenlegt, ist leicht nachzurechnen: Wenn man nur die sozialistischen Revolutionen, antifaschistischen Widerstandsbewegungen und antikoloniale Befreiungsbewegungen auszählt, fällt der Unterschied in der Erfolgsrate zugunsten der Gewaltfreiheit sogar noch deutlicher aus. Sie stimmt der Aussage, daß gewaltfreier Widerstand auch für unmoralische, konterrevolutionäre Ziele einsetzbar ist, ausdrücklich zu und nennt dazu die Bewegungen gegen die sozialistischen Regierungen in Bolivien und Venezuela und die Monarchisten in Thailand.

Chenoweth setzt sich mit der Frage auseinander, ob gewaltfreie Methoden nur erfolgreich sind, wenn der Gegner sich „demokratisch“ zurückhält. Sie stellt klar, daß die britische Kolonialherrschaft in Indien ebenso Massenmorde wie Faschisten durchführte. Die antikoloniale Befreiungsbewegung mit Gandhi blieb dennoch überwiegend gewaltfrei. Gewaltfreier Widerstand war auch dann erfolgreich, wenn er sich direkt gegen den Hitlerfaschismus richtete. Chenoweth hatte dazu die dänische antifaschistische Widerstandsbewegung ausgewertet, und die Proteste der Frauen in der Rosentraße in Berlin, bei denen die Nazis nachgeben mußten.

Demgegenüber sinkt die Erfolgsrate signifikant, wenn eine gewaltfreie Bewegung gewalttätige Ränder akzeptiert. Daß Gewaltaktionen der Bewegung helfen könnten, wird eindeutig widerlegt. Militante Gewalttäter werden nicht etwa gewaltfreie Demonstrationen vor Angriffen von Militär oder Polizei schützen können, sondern bewirken das genaue Gegenteil, nämlich, dass es viel mehr Tote und Verletzte gibt. Folglich sollten gewaltfreie Bewegungen sich besser von ihren gewalttätigen Rändern trennen, ihnen die Alternative anbieten, sich auf gewaltfreie Methoden zu beschränken oder die Bewegung zu verlassen.

Nur bei den von faschistischer Ideologie geleiteten Gruppen und Bewegungen führt die Akzeptanz und Anwendung von Gewalt nicht zu einer schlechteren Erfolgsbilanz. Chenoweth erklärt hierzu, daß das Wesen dieser Bewegungen Gewalt sei und damit seien sie stimmig. Demgegenüber gehen diejenigen, die für Frieden, Gerechtigkeit und soziale Rechte eintreten, durch den unauflösbaren Widerspruch zwischen ihren Zielen und gewalttätigen Mitteln in den Mißerfolg.

Chenoweth stellt heraus, daß gewaltfreie Bewegungen, die mehr als 3% der Bevölkerung umfaßten, erfolgreich waren. Da bleibt doch die Frage offen, weshalb mehr als vier Millionen erklärte Kriegsdienstverweigerer es hierzulande nicht schaffen konnten, das Militär abzuschaffen und Deutschland als internationalen Kriegsdienstverweigerer auf gewaltfreie Außenpolitik zu verpflichten.

Offen bleibt auch die Frage, in welchem Ausmaß die Beschränkung auf Teilforderungen den Erfolg beeinflußt. Hier aufgelistet, aber in ihrem vorherigen Buch ausführlicher dargestellt ist die gewaltfreie philippinische Widerstandsbewegung gegen den faschistischen Diktator Marcos. Weil Corazon Aquino die Eigentumsverhältnisse und Ausbeutung durch internationale Konzerne unangetastet ließ, während die vorher gescheiterte kommunistischen Partei der Philippinen die Beendigung der Ausbeutung und die ökonomische Gleichheit zum Ziel hatte, ließ die USA ihren Statthalter Marcos genau dann fallen, als klar war, sie haben von Aquino nichts zu befürchten. Es ist mit der statistischen Methode nicht zu unterscheiden, ob die unterschiedlichen Ziele der Aquino-Partei und der Kommunisten entscheidend für den Erfolg oder Mißerfolg waren oder die unterschiedlichen Mittel.

Chenoweth Beschreibung zu Irland bestätigt den 100 Jahre älteren Bericht John Reeds über die russische Oktoberrevolution „Zehn Tage, die die Welt erschütterten“. Den hatte sie im Literaturverzeichnis leider nicht erwähnt. Da wäre wenig über revolutionären Schußwaffengebrauch aber sehr viel von gewaltfreien offenen politischen Diskussionen in den Sowjets zu finden. Lenin nannte das bereits im April 1917 „Doppelherrschaft“, dass „neben der Regierung der Bourgeoisie, sich eine zwar noch schwache, erst in der Keimform vorhandene, aber dennoch unzweifelhaft existierende und erstarkende zweite Regierung herausgebildet hat: die Räte der Arbeiter- und Soldatendeputierten,“ und Millionen russischer Arbeiter und Bauern hatten sich schon lange vor der Oktoberrevolution in Konsum- und Produktionsgenossenschaften organisiert. Erfolgreiche gewalttätige Strukturen profitierten von den vorherigen gewaltfreien Aktionen. Es gabt erfolgreiche gewalttätige Bewegungen, aber wenn gewaltfreie Strukturen etabliert sind, sind Gewaltaktionen für den kurzfristigen Erfolg nicht nötig und für den langfristigen Erfolg eher hinderlich.

Der Untertitel „Was jeder wissen muss“ hat hier seine Berechtigung. Das Buch CIVIL RESISTANCE – WHAT EVERYONE NEEDS TO KNOW ist bei Oxford University Press erschienen für US-$ 16,95, die Carl von Ossietzky Buchhandlung importierte es für 16,95 Euro.

Faschistische Ideologie: Das „Recht des Stärkeren“

Faschismus ist ebenso eine Form bürgerlich kapitalistischer Herrschaftssicherung und -ausübung wie die formale, parlamentarische Demokratie. Daraus resultiert die schuldhafte Rolle der Repräsentanten des Kapitalismus bei der Entstehung, Förderung und Machtausübung des Faschismus, wie sie z. B. von Eberhard Czichon klar beschrieben wurde.

Daneben beschreibt der israelische Politikwissenschaftler Zeev Sternhell, wie auch die Verfälschung und Umkehrung der marxistischen Lehre zur Entstehung der faschistischen Ideologie wesentlich beigetragen haben. Sternhell belegt, wie sich ehemalige Marxisten als Geburtshelfer des Faschismus betätigten. Mussolini war Mitglied der Sozialistischen Partei gewesen. Ernst Nolte hatte den Faschismus als „Schatten des Marxismus“ oder James A. Gregor als „Variante des Marxismus“ beschrieben haben. Sternhell weist diese Versuche bürgerlicher Autoren, den Marxismus so zu verleumden, eindeutig zurück.

„Wenngleich sich die faschistische Ideologie nicht als einfache Reaktion auf den Marxismus bezeichnen läßt, so entstand sie doch als unmittelbares Ergebnis einer spezifischen Marxismusrevision“. Diese Revision des Marxismus, die mit dem Namen George Sorel verbunden ist, lohnt es sich genauer zu betrachten. Es waren genau drei politische Streitfragen, die Sorel und seine syndikalistischen Mitstreiter von allen anderen Vertretern des europäischen Sozialismus trennten (wie z.B. Kautsky, Mehring, Adler, Plechenow, Martow, Luxemburg, Liebknecht, Parvus, Radek, Trotzki und Lenin) und dem Faschismus den Weg bereiteten.

  1. die Akzeptanz der freien Marktwirtschaft, welche als die den universellen Gesetzen der Ökonomie entsprechende Wirtschaftsweise angesehen wurde. Ihr wurde sogar eine revolutionäre Dynamik zugeschrieben.
  2. die Verabsolutierung der Gewalt: die Idee des Klassenkampfes wurde zu einer Ideologie des Heldentums, die letztlich zur Akzeptanz und aktiven Befürwortung des Krieges führte. Der Klassenkampf des Proletariats wurde bei Sorel durch den Krieg der Nation ersetzt. Die nationale Bourgeoisie konnte dieses aufgreifen und die kriegsbereite Nation für ihre Ziele mißbrauchen. Daß dieses nicht die Ziele des Proletariats sind, spielte für Sorels positive Haltung zu Krieg und Gewalt keine Rolle.
  3. die Zerstörung der liberalen Demokratie, ihrer intellektuellen Normen und moralischen Werte in Form von Bürgerrechten die nicht instrumentalisiert werden dürfen, da sie ein Wert an sich sind.

Laut Sternhell müssen genau diese drei ideologischen Elemente zusammentreffen, damit sich über den „Nationalsyndikalismus“ der Faschismus entwickeln kann. Ein einziges oder zwei dieser Elemente genügen nicht.

Es mag überraschen, daß der israelische Wissenschaftler den Antisemitismus nicht zu den bestimmenden Elementen des Faschismus zählt. Für die Zerstörung von Bürgerrechten durch Diskriminierung und Ausgrenzung von bestimmten Personengruppen, ist es beliebig, wer ausgegrenzt wird.

Wenn wir von diesen ideologischen Merkmalen heute lesen, dann klingen sie erstaunlich aktuell. Wenn man bedenkt, daß nicht nur die Partei die LINKE, sondern auch zwei deutsche Regierungsparteien SPD und Grüne, jedenfalls unter einigen ihrer Mitglieder, eine marxistische Tradition haben, scheinen sie in ihrer praktischen Politik die Sorelsche Revision des Marxismus nachvollzogen zu haben:

Zu 1: Es ist das angemaßte „Recht des Stärkeren“

Ökonomisch: die Reichen werden immer reicher durch Ausbeutung der Armen. SPD, FDP und Grüne haben sich mit der Marktwirtschaft als universeller und der damit für sie einzig denkbaren Wirtschaftsform abgefunden. Selbst aus der Partei Die Linke sind nur wenige Stimmen zu hören, die sich ein anderes Wirtschaftssystem wünschen. Der Marktwirtschaft wird eine Dynamik zugeschrieben, die zu gesellschaftlichen Veränderungen führt. Dies ist im Zusammenhang mit der Globalisierung hochaktuell, weil die Marktwirtschaft durch diese Dynamik auf alle Bereiche der Welt ausgedehnt wird. Die ganze Welt wird zur Ware.

Es bleibt allein den Kommunisten in der DKP und anderen kleineren Parteien überlassen, darauf hinzuweisen, daß es gerade die Marktwirtschaft ist, die durch ihr darwinistisches Konkurrenzprinzip zu Pleiten, Arbeitslosigkeit und zu Verelendung in weiten Bereichen führt.

Zu 2: Es ist das angemaßte „Recht des Stärkeren“

Militärisch: Die imperialistischen Länder der NATO rüsten immer mehr auf und bedrohen und führen Krieg gegen die kleinen und schwachen. SPD, FDP und Grüne haben sich mit der Existenz von militärischer Gewalt und Streitkräften abgefunden. Zwischen 1912 und 1914 (SPD) bzw. 1990 und 1999 (Grüne) sind die antimilitaristischen Kräfte, die die Armeen abschaffen wollen, an den Rand gedrängt worden und die Parteien tragen dazu bei, das Volk kriegstauglich zu machen. Es geht wieder darum Kriege für die vitalen Interessen der Nation zu führen. Aber auch in der Partei Die Linke gibt es vermehrt Stimmen, daß man sich die Zustimmung zu Militäreinsätzen im Einzelfall vorstellen könne.

Zu 3: Es ist das angemaßte „Recht des Stärkeren“,

hier des Staates gegenüber dem Individuum. SPD, FDP und Grüne setzen den von den Vorgängerregierungen betriebenen Demokratieabbau ungebremst fort. Sie schüren Angst und setzen unter dem Vorwand von Sicherheit und Infektionsschutz unsere Grundrechte außer Kraft. Aktuell wird sogar das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit eingeschränkt, nur damit ein Pharmakonzern durch die Verbreitung eines nur gering wirksamen Impfstoffes maximale Profite einfährt. Die Arbeitsmarktpolitik schließt Personengruppen aufgrund ihres Geschlechtes oder ihrer Herkunft vom Arbeitsmarkt aus und diskriminiert sie damit. Menschen, die vor Krieg und Unterdrückung zu uns fliehen, werden in sog. Ankerzentren, Ausreisezentren eingesperrt, bevor sie in Kriegsgebiete und Folterstaaten abgeschoben werden. Die deutsche Innenpolitik verhöhnt die intellektuellen Normen und moralischen Werten einer liberalen Demokratie.

Nun könnte diese Gegenüberstellung zur voreiligen Schlußfolgerung führen, unsere Bundesregierung sei bereits eine faschistische. Sternhell hat beschrieben, wie sich die faschistische Ideologie zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts entwickeln konnte. Von der Entstehung der faschistischen Ideologie bis zum Zweiten Weltkrieg mit Millionen von Toten lag eine Entwicklung von. vierzig Jahren. Auch wenn heute ähnliche Merkmale einer fatalen Politik erkennbar sind, muß es diesmal nicht zwangsläufig in der Katastrophe enden. Denn wir können eingreifen und diese Entwicklung umkehren. Das Wissen um die Entstehung der faschistischen Ideologie vor einhundert Jahren kann uns dabei helfen.

 Eberhard Czichon „ Wer verhalf Hitler zur Macht“, Pahl-Rugenstein-Verlag Köln

 Zeev Sternhell: „Die Entstehung der Faschistischen Ideologie“, Hamburger Edition – HIS-Verlagsgesellschaft Hamburg

Lenin wendet sich grundsätzlich gegen Krieg und die Idee der „Vaterlandsverteidigung“ und hatte 1917 mit dem Dekret über den Frieden den 1. Weltkrieg für Rußland beendet.

Als „revolutionäre Vaterlandsverteidigung“ bezeichnet man eine Bemäntelung/Vertuschung des Krieges, die sich darauf stützt, das wir doch die Revolution gemacht haben, daß wir doch ein revolutionäres Volk, eine revolutionäre Demokratie seien. … Die neue „revolutionäre Vaterlandsverteidigung“ bedeutet nicht anderes, als den schmutzigen und blutigen Krieg mit dem hehren Begriff der Revolution zu verkleiden.“ so in Lenins Vorlesung Krieg und Revolution, 1917. Der Text galt lange als „verlorengegangen“ und wurde erst am 23.4.1929 in der Prawda abgedruckt.

Gleichheit ist Glück – Warum gerechte Gesellschaften für alle besser sind

Dänemark nahm lange Zeit  im Lebensqualitätsindex aktuell den Spitzenplatz ein, dort lebten statistisch die glücklichsten Menschen, nun ist Island die glücklichste Insel der Welt. Das liegt vor allem daran, daß es den „Neoliberalen“ noch nicht so wie in Deutschland  gelungen ist, den Sozialstaat zu vernichten. Bildung und Gesundheitswesen finanziert der dänische Staat. Auch im sozialistischen Kuba sind die Menschen sehr glücklich und auch hier werden Bildung und Gesundheitswesen vom Staat finanziert, ohne daß für die Inanspruchnahme bezahlt werden muß. In Kuba ist das materielle Konsumniveau geringer, aber das hindert die Kubaner nicht daran, glücklich zu sein.

Lenin forderte nach der Oktoberrevolution, daß die sozialistische Produktionsweise der kapitalistischen auch materiell überlegen sein muß. Der dann vom sowjetischen Ökonomen Preobrashenski initiierten politischen Weichenstellung folgte, daß die marktwirtschaftlichen Elemente aus der sozialistischen Ökonomie weitgehend entfernt wurden und die zentrale Planung dazu führen konnte, daß aus der russischen Agrargesellschaft in wenigen Jahren ein Industriestaat wurde, der rüstungstechnisch Hitlerdeutschland überwinden konnte und weltraumtechnisch sogar die USA. Während Bildung und Gesundheitswesen durch den sozialistischen Staat weiter ausgebaut wurden, blieb das materielle Konsumniveau der Bevölkerung so deutlich hinter den kapitalistischen Konkurrenten zurück, daß einige Sowjetbürger mit der Konterrevolution zu Recht eine Verbesserung ihrer Lebensbedingungen erwarteten, allerdings zu Lasten der anderen. Durch diese neue Ungleichheit sank allerdings der Lebensqualitätsindex in Rußland drastisch.

Wir haben aber heute vielfach mehr Menschen auf dieser Erde als zur Zeit Lenins und Preobrashenskis. Der Sozialismus ist deshalb die den Kapitalismus ablösende Produktionsweise, weil er dadurch, daß er auch bei materieller Unterlegenheit höhere Lebensqualität schafft, ökologisch überlegen ist. Wichtig ist in diesem Zusammenhang zu verstehen, daß ein Fünftel der Menschheit in den entwickelten kapitalistischen Ländern vier Fünftel aller Ressourcen verbraucht und entsprechend Müll produziert und die Umwelt vernichtet. Im Buch der Epidemiologen Kate Pickett und Richard Wilkinson »Gleichheit ist Glück« gibt es eine anschauliche Grafik (Seite 247), in der alle Länder der Welt einerseits nach dem Lebensqualitätsindex und andererseits nach dem Ressourcenverbrauch sortiert sind: Das sozialistische Kuba ist demnach das einzige Land auf der Welt mit hoher Lebensqualität, aber gleichzeitig so geringem Ressourcenverbrauch, daß das Vorhandene für jeden Erdbewohner reichen würde. Alle anderen Länder, die gleich hohe oder höhere Lebensqualität haben als Kuba, so wie z. B. Dänemark z. Z. auf Platz 1, erreichen dies nur mit einem Ressourcenverbrauch, so daß es eben nicht für alle reicht, oder aber unser Planet wird vernichtet. Da in diesem Lebensqualitätsindex nicht nur Bildung und Kultur, Gesundheit und Lebenserwartung, sondern vor allem auch das materielle Konsumniveau eine gewichtige Rolle spielt, ist klar, daß im Kapitalismus Lebensqualität nur durch Ressourcen- und Umweltvernichtung erkauft wird. Da sich Kapitalismus durch grenzenlose Ausbeutung von Mensch und Natur definiert, ist es widersinnig, wenn der Sozialismus ausgerechnet auf diesem Gebiet überlegen sein soll. Wozu auch? Bildung und Kultur, Gesundheit und Lebenserwartung sind wichtigere Kriterien für die Überlegenheit eines Systems.

Weitere Kriterien sind, daß es kaum Arbeitslosigkeit gibt und alle erwerbsfähigen Menschen in den Arbeitsprozeß einbezogen werden und darüber in die Gesellschaft integriert sind, ihre Existenz sichern können, ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten erfahren können und mit anderen teilen können, Gemeinschaft erleben können und gebraucht werden, der Alltag strukturiert ist und sie einen Sinn in ihrem Leben haben. Diese Faktoren sind auch aus der Glücksforschung bekannt, daß sie weit mehr als nur materieller Wohlstand und Konsum zum Glück des Menschen beitragen.

Deutschlands Absacken nach hinten ist somit leicht nachzuvollziehen, wurde nun in Sachen Glück und Lebensqualität auch vom wesentlich ärmeren Venezuela überholt!

Das Thema wird Kernelement kommunistischer Öffentlichkeitsarbeit:

Also Kuba für Alle !

Ralf Cüppers

Richard Wilkinson, Kate Pickett: Gleichheit ist Glück  –  Warum gerechte Gesellschaften für alle besser sind

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